Drittens: Zur Einordnung in die aktuelle klimapolitische Diskussion.
Die Klimakrise ist eine Krise unserer Gesellschaft. Aber Politik und Gesellschaft trauen sich noch immer nicht, den wissenschaftlichen Notwendigkeiten klar ins Auge zu blicken. Alle wissen von der Klimakrise, aber wenige machen sich klar, dass es wirklich ernst damit ist. Viele sind dafür, dass sich etwas verändert – solange sich nur nichts verändert. Viele sind für den Wandel, solange er sie persönlich nicht wirklich betrifft.
Und ähnlich ist es mit den Parteien und ihren Programmen. Es wird über den Klimaschutz so verhandelt, dass es niemanden etwas kosten darf, niemandem etwas zugemutet werden kann, keinem irgendeine Veränderung auferlegt werden soll. Es erscheint mir, als ob wir als Gesellschaft bezüglich des Klimawandels noch immer ein wenig schlafwandeln.
So aber werden wir an der Aufgabe, an der historischen Aufgabe, scheitern. Und während ich ausdrücklich sagen möchte, dass die neuen Klimaziele der Bundesregierung und die Programme der Parteien zur Bundestagswahl ein großer Schritt vorwärts und daher zu begrüßen sind, muss man doch sagen: an vielen Stellen vermisst man die Konkretheit, die strategische Planung des Gesamtbildes, und die Ernsthaftigkeit des Willens zur Umsetzung.
Es gibt etwas, das nennt sich die gläserne Decke der Transformation. Das bedeutet, dass selbst dann, wenn die sachliche Notwendigkeit eingesehen wird, selbst dann, wenn staatstheoretisch das Mandat, ja sogar die Verpflichtung zum Handeln klar ist, transformative Politik daran scheitern kann, dass die Bevölkerung für ihre konkreten Lebensrealitäten keinen gangbaren Weg sieht. Und daran wird es dann scheitern. Und genau hier hat der Bürgerrat Klima einen so entscheidenden Beitrag geleistet: indem er gezeigt hat, dass das überhaupt nicht so sein muss; dass Politik, wenn sie es richtig macht, durchaus die notwendigen Wege mutig einschlagen kann.
Politikerinnen und Politiker haben nicht nur die Möglichkeit, transformative Politik zu erklären und für Mehrheiten zu sorgen, sondern sie haben damit auch die Aufgabe, dies zu tun. Der Bürgerrat Klima hat ganz klar ein Votum dafür gesetzt, dass wir als demokratische Gesellschaft diese Aufgaben nicht nur angehen wollen, sondern auch können.
Der Rechtsstaat, der uns Freiheiten gegeben hat und mühsam erkämpft wurde, wurde viel später unter großen Auseinandersetzungen ein sozialer Rechtsstaat, in dem soziale Gerechtigkeit und soziale Absicherung genauso zum Auftrag des Staates gehören wie die Sicherung der Freiheit der Einzelnen. Aus diesem sozialen Rechtsstaat muss nun ein ökologischer, ein sozialer Umwelt-Rechtsstaat werden,
damit diese Freiheiten nicht verloren gehen. Das hat das Bundesverfassungsgericht überaus klar noch einmal in Erinnerung gerufen.
Zwei Dinge sind notwendig: erstens keine Schönrednerei, sondern echte Auseinandersetzung mit den Fakten, mit der realen Lage, mit dem was kommt und mit dem, was nötig ist. Nämlich mit dem, was Wissenschaft uns über die Entwicklung sagen kann. Und zweitens, dass sich jede und jeder in diesem Land ernsthaft prüft, was sie oder er bereit ist, für die Zukunft zu tun. Wir stehen jetzt am Anfang eines absolut kritischen Jahrzehnts der Entscheidung. In diesem Jahrzehnt werden wir die letzte Chance haben, die Weichen für Klima und Umwelt noch richtig zu stellen.
In Deutschland stehen wir vor einer Wahl und einer neuen Legislaturperiode. Wenn wir 2025 nicht viel weiter sind als heute, werden wir weder die Klimaziele von Paris einhalten noch den fortlaufenden Verlust an Natur und Lebensräumen stoppen. Die Konsequenzen sind nicht zu verantworten, nicht uns gegenüber, nicht den jungen Menschen gegenüber, nicht den nachfolgenden Generationen gegenüber und nicht anderen Weltgegenden gegenüber.
Der Bürgerrat Klima, den ich als durchaus historisch bezeichnen möchte, weil er ein neues, wegweisendes Experiment war, hat uns allen, vor allem aber auch der Politik, nun einen klaren Auftrag erteilt. An diesen müssen und können nun alle Parteien politisch anknüpfen. Der Wettbewerb muss um die besten Ideen gehen, nicht um das Wie und Ob. Das Tempo muss hoch sein.
Der Bürgerrat Klima hat sehr klare Empfehlungen gegeben, für Mobilität, Gebäude, Ernährung und Energie. Der Auftrag ist klar. Nun gilt es, diese Empfehlungen breit zu diskutieren – und dann zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft umzusetzen.